Am 29.Mai 1993 riss ein feiger faschistischer Brand– und Mordanschlag in Solingen fünf Angehörige der türkischstämmigen Familie Genc in den Tod: Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Mevlüde Genç verlor bei dem Mordanschlag zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte. 17 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

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Zum Gedenken an diese brutale Tat und an die Opfer finden an Pfingsten verschiedene Veranstaltungen statt. Pfingstsonntag findet um 16.30 Uhr die feierliche Umbenennung des Mercimek-Platzes in Mevlüde-Genç-Platz statt. Mevlüde Genç wird geehrt, weil sie sich trotz dieses Schicksalsschlags für ein friedliches Miteinander von Menschen verschiedener Religionen und nationaler Herkunft einsetzte. Pfingstmontag beginnen die offiziellen Veranstaltungen um 9.30 Uhr am Zentrum für verfolgte Künste. Sie gehen um 12.30 Uhr in den Empfang für die zentrale Gedenkveranstaltung über, die dann ab 14 Uhr stattfindet.

Mit großem Bahnhof: So haben zahlreiche Monopolpolitiker Deutschlands – egal, ob sie die von ihnen initiierte und laufende Hetzkampagne gegen Flüchtlinge offen oder verdeckt unterstützten - ihr Kommen angekündigt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird ebenso vor Ort sein, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

Mit Bundesministerin des Inneren und für Heimat, Nancy Faeser, erscheint auch diejenige vor Ort, die aktuell Flüchtlinge außerhalb der EU in Lagern inhaftieren und damit das Asylrecht faktisch endgültig abschaffen will. Für die faschistische türkische Regierung sollen sehr hochrangige Vertreter teilnehmen.

Die Art von Politik und hetzerischer Stimmungsmache, die auch aktuell von Politikern sämtlicher Monopolparteien in der Flüchtlingspolitik vertreten wird, war mit einer der Wegbereiter für die faschistischen Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte und auf Wohnungen von Menschen mit Migrationshintergrund in den 1990er-Jahren – egal, ob Solingen, Mölln oder anderswo. Manche, wie die AfD, aber auch Politiker aus CDU / CSU, von den Grünen, der FDP und SPD vertreten eine offen reaktionäre Variante. Andere tun das eher verbrämt, aber mit den gleichen Folgen. Heute heißt es nicht mehr: "Das Boot ist voll", sondern: "Die Kommunen können das nicht mehr tragen." Gegen den Auftritt dieser Politiker ist Protest Pflicht.

Ein würdevolles Gedenken und die Rücksichtnahme auf die Gefühle der Hinterbliebenen gehört auch zu der Protest- und Mahnkundgebung des Internationalistischen Bündnisses, der MLPD, des REBELL und weiterer am 29. Mai, ab 14 Uhr, auf dem Walter-Scheel-Platz 1, Solingen-Mitte, beim Rathaus. Doch der bürgerliche, antikommunistische Antifaschismus der bereits erwähnten anderen Veranstaltungen muss abgelehnt werden. Das Ehepaar Hatice und Kamil Genç, die vor 30 Jahren ihre beiden Töchter verloren haben, wünscht sich ein friedliches Miteinander, entwickelt aber eine deutliche Kritik: „Die Politik ist gefragt, stärker und strikter gegen Rassismus vorzugehen.“ Sie haben das Gefühl, dass sich die Lage zum Schlechteren entwickelt habe, dass von staatlicher Seite zu wenig gegen rassistisch motivierte Gewalt unternommen werde.¹

Ihr Eindruck trügt nicht. Nach wie vor wird das im Potsdamer Abkommen verankerte Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen verweigert, konnte der NSU mordend durch Deutschland ziehen, gab es den Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke, kommen mehr und mehr faschistische Netzwerke in Bundeswehr und Polizei ans Tageslicht. Vertreter der AfD, wie Björn Höcke oder Alice Weidel, verbreiten ungehindert faschistisches Gedankengut und rassistische Hetze. Die anderen bürgerlichen Parteien machen oft fleißig mit, "man wäre eben durch die AfD dazu gezwungen". Und das Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier gestaltet mit Vertretern des faschistischen Erdoğan-Regimes die zentrale Gedenkveranstaltung. Passend, dass in allen Verlautbarungen in den bürgerlichen Medien, seitens des Stadt Solingen oder des Landes NRW, das Wort „Faschismus“ nirgends auftaucht. Bis heute nicht geklärt, ist die Rolle des Verfassungsschutzes und seines V-Mannes Bernd Schmitt, damals Leiter der Kampfsportschule Hak Pao, der Neo-Faschisten für Einsätze bei Veranstaltungen und Demonstrationen ausbildete. Drei  der Solinger Attentäter trainierten in dieser Kampfsportschule.

Die Initiatoren der Demo „30 Jahre danach – und die rechte Gewalt reißt nicht ab“ von einem Bündnis „Solingen '93“ stehen gerade nicht als Gegenpol zu diesem offiziellen Gedenken. Zweifellos hat auch diese Demo berechtigte Anliegen in ihrem Aufruf, und es werden dort zahlreiche ehrliche und mutige Antifaschisten und Antifaschistinnen mitdemonstrieren bzw. als Redner zu Wort kommen. Doch auch und gerade diesen sei gesagt: Bereits vor fünf Jahren spalteten die Strippenzieher hinter dem Aufruf die antifaschistische Aktionseinheit und griffen die MLPD und befreundete Organisationen auf das Übelste an. Unwürdig gab es auf dieser Demo zum 25. Jahrestag Sprechparolen, Gerempel, "Stinkefinger" gegen andere Antifaschisten und Marxisten-Leninisten sowie massenfeindliche antideutsche Parolen. Auch heute wieder zeigen sie keinerlei Interesse an einer wirklichen Aktionseinheit, bereiten die Demo in einem handverlesenen, anonymen und heimlich tagenden Kreis vor und erlassen auch gleich – sicher ist sicher – ein Verbot für Partei- und Nationalfahnen. Offenkundig fühlen sie sich dazu berufen, selbst zu bestimmen, wer ihnen als Antifaschist genehm ist oder nicht. Darin unterscheiden sie sich nicht sehr von den offiziellen Veranstaltungen, die auch nur einem geladenen Kreis offen stehen. Der Aufruf zu dieser Demo verzichtet dann auch auf jegliches Wort der Kritik an der Regierung und ihrer unmenschliche Flüchtlingspolitik und Rechtsentwicklung. Nur folgerichtig: Initiatoren sind vor allem auch Solinger Grünen-Politiker, die also zu einer Regierungspartei gehören. Vor fünf Jahren waren überdurchschnittlich die Antifa-Gruppen vertreten, die eine explizit "antideutsche" Ausrichtung haben und zum Teil von Geldern des Familienministeriums gesponsert werden.

Dagegen ist die Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses vom Gedanken einer notwendigen breiten antifaschistischen Einheit getragen. Wenn wirklich Gedenken und wirkungsvolle Schlussfolgerungen an die Morde vor 30 Jahren im Mittelpunkt stehen sollen, dann muss auch diskutiert werden, wie dieses menschenfeindliche imperialistische System überwunden werden kann. Es droht, mit den Vorbereitungen für einen Dritten Weltkrieg und der begonnenen Umweltkatastrophe, die ganze Menschheit in den Abgrund zu ziehen. Und es versucht mit der zunehmenden Rechtsentwicklung in vielen Ländern - bis hin zum Faschismus - den Widerstand der Arbeiter und Massen zu unterdrücken.


 Quellen & Links

¹ Rheinische Post, 23.5.23, „Unser Schmerz wird nie vergehen“

https://solingen.de/inhalt/gedenken-30-jahre-brandanschlag

19.5.23 www.tagesschau.de „Fremdenfeindlicher Brandanschlag von Solingen jährt sich zum 30. Mal“

8.3.23 rp-online.de „Prominenz bei Brandanschlag-Gedenken“

29.5.18 www.zeit.de „Anschlag in Solingen Jugendliche Mörder und ein V-Mann“ ZEIT ONLINE.pdf