4604 Obelisk

Der CDU-Politiker Elmar Brok behauptete in einer Diskussion an der Bielefelder Uni im Zusammenhang mit dem Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in Stukenbrock-Senne: „Wer das Lager als sowjetischer Soldat überlebt hat, wurde nach Sibirien geschickt“.

Natürlich hat Brok es nicht nötig, diese Behauptung zu beweisen. Tatsächlich gibt es nur wenig historische Forschung über das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener. Eine Ausnahme sind die Arbeiten des bürgerlichen russischen Historikers M.E. Erin, dem keinerlei Sympathie mit der sozialistischen Sowjetunion nachgesagt werden kann. Nach seinen Untersuchungen wurden 1.055.925 Repatrianten (Kriegsflüchtlinge und Kriegsgefangene, die in ihre Heimat zurückgeführt wurden) bis März 1946 wieder in die Rote Armee eingegliedert. 344.448 weitere frühere Kriegsgefangene dienten Anfang 1946 in Arbeitsbataillonen, die hauptsächlich zur Beseitigung der Kriegsschäden eingesetzt wurden.

Insgesamt sollen 1.545.303 Kriegsgefangene in die Sowjetunion zurückgeführt worden sein. Davon ist das Schicksal von 144.930 Menschen ungeklärt. Nach Berechnungen des stramm antikommunistischen Historikers Viktor Zemskov wären 28.518 frühere Kriegsgefangene in Speziallagern geschickt worden.

Allerdings wurden in der Sowjetunion auch nach dem Krieg Soldaten für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, die sie im Krieg oder als Kriegsgefangene begangen hatten. Insgesamt gibt es aber keine belegbaren Zahlen darüber, wie viele ehemalige Kriegsgefangenen wegen begangener Verbrechen verurteilt und nach Sibirien geschickt wurden.

Elmar Brok‘s Behauptung ist eine glatte Lüge. Die große Mehrheit der sowjetischen Kriegsgefangenen, die in ihre Heimat zurückkehrten - auch aus dem Stalag 326 in Stukenbrock - waren schon 1946 wieder in der Roten Armee integriert oder zum Wiederaufbau ihres Landes eingesetzt. Dass sich Kriegsverbrecher aus den eigenen Reihen auch nach dem Krieg in der Sowjetunion verantworten mussten und bestraft wurden, war gut und richtig. Aber aus antikommunistischer Verblendung heraus werden Figuren wie Elmar Brok dieses nie begreifen.

Gerd Detering, 7.2.23