08.05.2021: 

2014stukenbrock

Ein frischer Wind weht über das ausgedehnte Gräberfeld. Von einem Akkordeon erklingt eine russische Weise, erhebt sich in die Luft und spannt den Bogen in die Heimat der hier Ruhenden. Es ist ruhig, fast idyllisch an diesem denkwürdigen Ort in der Senner Heidelandschaft. Nicht weit von hier entspringt die Ems. Wir sind nicht die Einzigen, die am 8. Mai den Ehrenfriedhof aufsuchen, um derer zu gedenken, die hier als sowjetische Kriegsgefangene interniert waren und als Soldaten der Roten Armee gegen den Hitlerfaschismus gekämpft haben. Mitglieder der umliegenden russischen Gemeinden legen ihre Kränze nieder, ebenso Vertreter der russischen Botschaft. Der gemeinsame Kranz der MLPD Ostwestfalen und des Internationalistischen Bündnisses mit seinen roten Schleifen „8. Mai – Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus“ findet einen würdigen Platz auf den Stufen des beeindruckenden Obelisken. 65.000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, fanden hier den Tod, oftmals gequält und ausgebeutet in den Fabriken des Ruhrgebietes. Die Geschichte des sogenannten Stammlagers StaLag 326 VI ist Teil einer deutschen Vergangenheit, Geschichte zu vergessen und zu entsorgen. Nach der Errichtung des Lagers durch polnische Zwangsarbeiter wurde zunächst die einheimische Bevölkerung scharfgemacht: So schrieb das Paderborner ‚Westfälische Volksblatt‘ einen langen Artikel über „Bolschewistisches Untermenschentum in deutscher Gefangenschaft“. Davon angetrieben „besichtigen“ Bürger der Umgebung und selbst Ausflügler aus Bielefeld die Gefangenen wie in einem Zoo. Angesichts der ausgezehrten Gefangenen, die mit 200g Ersatzbrot (Brot mit Sägemehlzusatz), und einer Schöpfkelle Balanda, (Wassersuppe, die aus ungeschälten weissen Rüben, Kartoffelabfällen, Kräutern und Baumrinde gekocht wurde) auskommen mussten, verging sicherlich so manchem Spaziergänger die Lust am Ausflug. Es ist das Verdienst der sich bildenden kommunistischen Widerstandsgruppe, zahlreiche Mitgefangene vor dem sicheren Tod zu retten, gefährdete Kameraden vor SS und Gestapo durch Fälschungen von Papieren zu verstecken und Kranke von schwerster Arbeit zu befreien. Es ist diese kommunistische Denkweise, nicht an sich selbst zu denken, die Schwachen zu schützen und den Widerstand zu organisieren, der schließlich dazu geführt hat, dass sich – entgegen der offiziellen Version der Befreiung durch die Amerikaner – mit der Entwaffnung des Wachpersonals das Lager selbst befreit hat. Das wurde in den Reden der Vertreter von MLPD und Internationalistischem Bündnis deutlich, die auch die Rolle der Roten Armee als entscheidender Kraft beim Sieg über den Faschismus betonten. Dazu passten gut die Liedbeiträge der Musikgruppe „Roter Faden“ . Das eindrucksvolle als Sologesang vorgetragene „Mein Vater wird gesucht“ ging allen Zuhörern unter die Haut. Der Autor, Hans Drach, selbst im russischen Exil lebend, schrieb das Lied 1934 als Anklage gegen die Praktiken des SS, Leute verschwinden zu lassen. Den Abschluss bildete neben dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden Lied „Drei Rote Pfiffe“ über den Partisanen-Widerstand in Österreich das von Brecht und Eisler 1934 zur Stärkung des internationalen antifaschistischen Widerstands entwicklelte „Einheitsfrontlied“, welches manch einen Zuhörer trotz Maske zum Mitsingen brachte.