Rechter SektorDer Krieg der Ukraine gegen die Aggression des russischen Imperialismus wird keineswegs nur mit von der NATO gelieferten Waffen geführt. Es ist zugleich ein weltanschaulicher Krieg, um den Hass der Bevölkerung auf alles Russische – oder angeblich Russische – zu schüren.

Treiber bei diesem kulturellen Feldzug ist Oleksandre Tkatschenko, Selenskyjs enger Freund und Kulturminister.1 Mit drei Gesetzen hat er dafür gesorgt, die Aufführung zeitgenössischer Musik russischer Komponisten und die Einfuhr von Büchern aus Russland zu verbieten. Opernhäuser und Theater streichen ihr russisches Repertoire. Aus dem Schulunterricht wird die russische Sprache verbannt – obwohl sie für 40 Prozent der Bevölkerung Muttersprache ist.

Nahezu grotesk erscheint, wer nun alles den Kulturkriegern zum Opfer fällt. Zu Lew Tolstois Roman „Anna Karenina“ heißt es jetzt in Kiew: „Wie Putins Russland hält Tolstoi alles Westliche für verfault, alles Russische liebt er dagegen.“2 

Tatsächlich prangert Tolstoi (1828 - 1910) in seinem Roman die dekadente westliche Lebensweise des Adels angesichts der Armut der Massen an. Ob sich da mancher Oligarch auf den Schlips getreten fühlt? Oder passt der Pazifismus des Verfassers von „Krieg und Frieden“ nicht ins Konzept? Die Musik Tschaikowskys (1840 – 1893) wird aus den Operhäusern der Ukraine verbannt. Begründung des Kulturministers: „Er ist Vertreter imperialer russischer Kultur“.

Oleksandre Tkatschenko hat sein journalistisches Handwerk im US-amerikanischen Harvard erlernt, war Chefredakteur des Senders 1+1Media, dem Selenskyj seinen medialen Aufstieg zum Präsidenten verdankt, und betätigt sich als Hexenmeister der Medienmanipulation. Eine groß angelegte Kampagne zur Umbenennung von Straßen und Plätzen wird angezettelt. Bei dieser „Derussifizierung“ kann sich jedermann und jedefrau per Handy-App beteiligen – entscheiden tut dann doch die Regierung. Es darf also keine Moskau- oder Petersburg-Straße mehr geben, geschweige denn an Partisanen im Kampf gegen den Hitlerfaschismus erinnert werden.

Denkmäler und kommunistische Symbole wurden ja schon längst geschleift. Aber es gibt laut Tkatschenko in der Ukraine immer noch entschieden zu viele Puschkin-Straßen. Alexander Puschkin (1799 – 1837) wurde schon zu Lebzeiten verfolgt und zensiert. Aber er wird wegen seiner modernen, an der Umgangssprache der Massen orientierten Lyrik, seinen revolutionären Auffassungen im Kampf gegen Zarismus und Kirchenmacht bis heute sehr verehrt – und gilt als „russischer Nationaldichter“. Das genügt heute, ihn zu verdammen.


 Quellen & Links

[1] Süddeutsche Zeitung 25./26.6.2022

[2] Frankfurter Rundschau 20.6.2016