soli rote hilfe

Die schwarz-grüne Landesregierung will vor der Landtagswahl in Hessen ein eigenes Versammlungsgesetz verabschieden und damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv einschränken. Die zweite und dritte Lesung sowie der Beschluss für das Gesetz sind für Ende März geplant.

Das geplante Gesetz beinhaltet systematische und umfassende Angriffe auf die Versammlungsfreiheit: Es legt einen deutlichen Schwerpunkt auf Gefahrenabwehr und gibt der Polizei weitgehende Möglichkeiten, die Ausübung dieses Grundrechts einzuschränken. So enthält das Gesetz unter anderem einen ausführlichen Straftatenkatalog, der der Polizei Eingriffe in Versammlungen und Demonstrationen ermöglicht – was oft zu einer Eskalation der Situation führt. Mit einer Liste von 18 Ordnungswidrigkeiten übertrumpft das Gesetz sogar noch die bayerische Gesetzgebung. Die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Die Bezeichnung als „Versammlungsfreiheitsgesetz“ grenzt angesichts dessen an Satire.

Durchsuchung und Identitätsfeststellung

Schon im Vorfeld einer Demonstration soll es möglich sein, Menschen an Kontrollstellen aufzuhalten und zu durchsuchen. In besonderen Fällen ist sogar die Feststellung der Identität erlaubt. Das Recht auf Anonymität ist so nicht mehr gewährleistet. Solche repressiven Maßnahmen haben eine erhebliche abschreckende Wirkung auf Teilnehmer*innen und schränken somit das Versammlungsrecht erheblich ein.

Auch von Versammlungsanmelder*innen und Ordner*innen sollen in Zukunft mehr Daten gesammelt werden. Künftig sollen sie geprüft werden und auch als ungeeignet abgelehnt werden können. „Wir lehnen solche versammlungsrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfungen entschieden ab“, sagt Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V. Es soll Menschen sogar im Vorfeld verboten werden können, an Demonstrationen teilzunehmen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Personen grundsätzlich die Teilnahme an Versammlungen zu versagen und damit deren Grundrechtsausübung vollständig aufzuheben.

Das Gesetz sieht vor, dass die zuständige Behörde künftig festlegen darf, welche Gegenstände und Verhaltensweisen verboten sein sollen. Es ist nicht sichergestellt, dass nicht künftig schon im Vorfeld häufig pauschal einschränkende Anordnungen und Auflagen getroffen werden.

Versammlungsbeschränkungen sollen gemäß § 14 (1) schon bei unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Ordnung zum Tragen kommen. Was diese „öffentliche Ordnung“ genau meint, ist allerdings nicht definiert. „Diese vage Formulierung ist ein massiver Eingriff in die Versammlungsfreiheit des Einzelnen und lädt zu polizeilicher Willkür ein“, sagt Sommerfeld.

Ton und Bildaufnahmen  

Die Vermutung der Polizei, dass eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung besteht“, soll ausreichen, um Bild- und Tonaufnahmen von Demonstrationen zu machen. „Diese Regelung verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und setzt auf eine erheblich abschreckende Wirkung für Teilnehmer*innen. Es ist anzunehmen, dass durch technische Auswertungsmöglichkeiten unliebsame Demonstrant*innen erfasst werden können“, sagt Sommerfeld. Laut Gesetzesbegründung ist schon bei weniger als 100 Personen die „Unübersichtlichkeitsgrenze“ überschritten – so wird die Möglichkeit eröffnet, fast jede Versammlung abzufilmen.

Das Gesetz unterscheidet zwar zwischen Aufnahmen und Aufzeichnungen, es stellt sich aber die Frage, wie Demonstrant*innen überhaupt unterscheiden können, ob sie gerade nur aufgenommen oder aufgezeichnet werden. In der Regel wird eine Unterscheidung nicht möglich sein, sagt Sommerfeld.

Statt der geplanten Verschärfungen fordert Sommerfeld, die Versammlungsfreiheit politisch zu verteidigen und auszubauen. „Wir lehnen dieses sogenannte Versammlungsfreiheitsgesetz als einen Versuch, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv zu beschneiden, entschieden ab. Das neue Gesetz öffnet Tür und Tor für polizeiliche Willkürmaßnahmen im Umgang mit Versammlungen und Demonstrant*innen.“

(Pressemitteilung Rote Hilfe)