Die CDU/CSU-SPD-Regierung hat die sogenannte "Bundesnotbremse" beschlossen. Wir erinnern uns: eine „Notbremse“, die bestimmte Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie ab einem Inzidenzwert von über 100 vorsah, hatte die Ministerpräsidentenkonferenz bereits (MPK) bereits am 3. März – also vor sechs Wochen – beschlossen.

ausgangssperre

Die konkrete Umsetzung musste aber jeweils von den Landesregierungen beschlossen werden – so sieht es das Infektionsschutzgesetz vor. Getreu dem Motto „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ legten die Landesregierungen die angeblich einheitlichen Festlegungen aber sehr unterschiedlich aus. Das führte zu einem Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen. Nun wurde die für den 12. April geplante MPK abgesagt, stattdessen wird das Infektionsschutzgesetz so ergänzt, dass der Bund die entsprechenden Beschlüsse fassen darf.

Und jetzt hat die Regierung endlich hart durchgegriffen und dringend notwendige Beschlüsse gefasst? Fehlanzeige! Die Rechte der Massen werden weiter eingeschränkt, die Profite der Monopole nicht angetastet. Es handelt sich heute zunächst um Beschlüsse der Bundesregierung, die erst noch vom Bundestag und dann vom Bundesrat beschlossen werden müssen. Das könnte beides im Eilverfahren noch diese Woche passieren.

Konkret geht es um folgende Maßnahmen (ab einem Inzidenzwert von 100 in einem Kreis bzw. einer Stadt für drei aufeinanderfolgende Tage):

  • Eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, mit Ausnahmen bei beruflichen Gründen, medizinischen Notfällen und Tierversorgung. Das ist eine massive Grundrechtsbeschränkung. Der tatsächliche Nutzen von Ausgangssperren zur Reduzierung der Infektionszahlen wird aus verschiedenen Gründen als gering eingeschätzt.¹ Zum einen ist die Mobilität in dieser Zeit sowieso sehr gering oder es handelt sich um Arbeitswege, die weiterhin erlaubt sein werden, zum anderen vermuten Forscher, dass sich die Mobilität zu einem bestimmten Teil dann nur verschiebt – also zu einer anderen Tageszeit stattfindet (in der dann auch mehr andere Menschen unterwegs sind). Zum andern sagen Aerosolforscher, dass die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen um ein Vielfaches höher ist als im Freien. Bezeichnend für das derzeitige Krisenchaos ist auch, dass in den Regionen, wo es schon Ausgangssperren gab (z.B. Baden-Württemberg), keinerlei Studien durchgeführt wurden, um deren Wirksamkeit zu analysieren.
  • Treffen sind nur noch erlaubt von einem Haushalt plus einer weiteren Person (insgesamt max. fünf Menschen, Kinder unter 14 Jahre zählen nicht mit).
  • Geschäfte müssen schließen (mit den bekannten Ausnahmen für Supermärkte usw.). Kleingewerbetreibende werden in den Ruin getrieben.
  • Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie Restaurants, Cafés und Kantinen müssen schließen.
  • Präsenzunterricht in den Schulen soll nur möglich sein, wenn zwei Tests pro Woche durchgeführt werden, ab einer Inzidenz von 200 jedoch soll er eingestellt werden.

Die Testpflicht für Betriebe, Bestandteil der Beschlüsse und von der Regierung schwer gelobt, ist unzureichend. Es geht nämlich nur um eine Pflicht, den Beschäftigten ein "Testangebot" zu machen. Es reicht, wenn der "Arbeitgeber" beim Pförtner ein Schild hinhängt, dass die Arbeiter und Angestellten sich da einen Test mitnehmen können - und damit hat der Kapitalist seine Schuldigkeit auch schon getan. Keine Weiterverfolgen, keine Kontrolle - gar nichts.

Während in den vorher bekannt gewordenen Vorschlägen noch eine windelweiche Bitte an die Unternehmen enthalten war, Homeoffice zu ermöglichen, ist davon jetzt keine Rede mehr, außerdem ist Homeoffice für die Industrieproduktion nur sehr eingeschränkt möglich. Ansammlungen von Menschen, die in jedem Park, in jeder Wohnung und auf jedem Sportplatz verboten wären – in der Industrie sind sie erlaubt! Deutlicher kann die Regierung kaum zeigen, dass sie dem Gebot „Profitschutz“ statt dem des Gesundheitsschutzes folgt. Und das in einer Situation, in der Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bereits am Freitag warnte: „Es brennt. Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps.“ Bis Ende April sei mit 5.000 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen zu rechnen.²

Seit Beginn der Pandemie fordert die MLPD konsequenten Gesundheitsschutz auf Kosten der Profite! Um die Infektionszahlen so weit zu senken, dass wieder eine Nachverfolgung möglich wird, braucht es einen wirklichen Lockdown, bei dem auch alle Betriebe (wenn sie nicht für die Grundversorgung notwendig sind) für zwei bis drei Wochen geschlossen werden! Das sehen immer mehr Menschen so: Laut der aktuellen Cosmo-Studie der Uni Erfurt fordern 56% der Befragten schnellstmöglich einen "harten Lockdown".³ Dazu passen ebenfalls neueste Forderungen von Aerosolforschern, die betonen, dass es insbesondere in Innenräumen zu Ansteckungen kommt⁴ – also z.B. in Büros und Fabriken.

Die drastische Senkung der Infektionszahlen ist nötig, damit die Einschränkungen so schnell wie möglich beendet werden können, um die Kampffähigkeit der Arbeiterklasse und der Massen wieder herzustellen und dass die Tätigkeit der kämpferischen Opposition und die Kleinarbeit der MLPD wieder erweitert werden können. So muss der internationale Kampftag der Arbeiterklasse 2021 nun schon zum zweiten Mal unter Pandemiebedingungen stattfinden.

Quellen & Links

¹ Zum einen ist die Mobilität in dieser Zeit sowieso sehr gering oder handelt es sich Arbeitswege, die weiterhin erlaubt sein werden, zum anderen vermuten Forscher, dass sich die Mobilität zu einem bestimmten Teil dann nur verschiebt – also zu einer anderen Tageszeit stattfindet (in der dann auch mehr andere Menschen unterwegs sind). https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ausgangssperren-corona-105.html
² https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/intensivmediziner-fordern-harten-lockdown-krankenhaeuser-haben-keine-kapazitaeten-mehr-li.151428
³ Süddeutsche Zeitung, 13.3.21.
https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-aerosolforscher-warnen-vor-kontraproduktiven.2850.de.html?drn:news_id=1247590