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Kategorie: Kapitalismus
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Noch vor kurzem rauschten die optimistischsten Prognosen über einen wirtschaftlichen Aufschwung durch den bürgerlichen Blätterwald. Stattdessen heißt es nun kleinlaut: „Stimmung im Keller“ oder: „Kommt jetzt der Konjunktureinbruch?“. Trotzdem verkündet Peter Altmaier (CDU) forsch: „Wir werden das Vorkrisenniveau der Wirtschaft spätestens Anfang 2022 erreichen”. Dabei war er schon mit seiner letzten Aufschwungs-Fantasie vom September 2020 krachend gescheitert. Denn die Industrieproduktion erholte sich nur kurz und blieb deutlich unterhalb ihres Höchststandes vom März 2018. Auch seine jetzige Prognose dient nur zur Besänftigung der Masse der Bevölkerung, die sich zu Recht große Sorgen um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze, ihrer sozialen Absicherungen und um ihr sinkendes Einkommen macht.

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Tatsächlich schrumpft die Industrieproduktion in Deutschland seit Januar 2021 wieder. Sie ist im August sogar um 4 Prozent eingebrochen, hat sich im September noch einmal um 1,1 Prozent verringert und liegt mit fast 18 Prozent minus weit unter ihrem Vorkrisenstand. Die industriellen Aufträge sackten im August in Deutschland zudem um 8,8 Prozent ab. Auch weltweit ist die Industrieproduktion erneut rückläufig. In allen alten imperialistischen Ländern liegt sie deutlich unter ihrem Vorkrisenstand. Bei einigen stagniert sie auf diesem Niveau, wie in den USA, in Frankreich oder Italien. Bei den anderen, wie in Großbritannien, Japan oder Spanien, schrumpft sie seit zwei, drei Monaten wieder.

In den meisten neuimperialistischen Ländern wie Brasilien, Mexiko oder Südafrika ist die Industrieproduktion schon seit März 2021 wieder rückläufig und liegt meist weit unter dem Vorkrisenstand. Nur wenige Länder wie China, Südkorea oder die Türkei liegen noch deutlich darüber. Aber auch dort hat die Wachstumsdynamik erheblich nachgelassen. Diese Entwicklung wird verschärft durch eine bisher einzigartige Rohstoff- und Logistikkrise¹. Außerdem ist die Corona-Pandemie keineswegs ausgestanden. Sie hat nach wie vor erheblich hemmende Auswirkungen auf die globale Produktion und den Welthandel.

Zugleich nimmt die Nervosität an den großen internationalen Börsen zu. Nach der tiefen kurzzeitigen Börsenkrise von März 2020 folgte ein völlig überhitzter Neuanstieg – in der Erwartung eines schnellen Aufschwungs der Wirtschaft und weil der Großteil des "billigen Geldes" von Notenbanken und staatlichen nationalen Krisenprogrammen in die Spekulation wanderte . Das stand in scharfem Gegensatz zu der tatsächlichen Entwicklung der Industrieproduktion. Ende Oktober 21 sanken die weltweiten Börsenkurse zeitweise zwischen 4,5 und 10 Prozent. Das war bedingt durch schwindende Hoffnungen auf einen Aufschwung, durch den deutlichen Anstieg der Inflation und der damit einhergehenden Befürchtung, dass die Zentralbanken die Zinsen für Kredite erhöhen würden. Außerdem durch die Furcht vor dem Platzen einer Immobilienblase in China.

Die Spekulationen belebten sich aber wieder und erreichten bzw. überholten sogar ihre alten Höchststände. Denn die Immobilienblase platzte noch nicht. Die chinesische Zentralbank lies sich die Rettung des strauchelnden „Evergrande“-Monopols umgerechnet 12 Mrd. Euro kosten.² Ausdrücklich und in überheblicher Arroganz über die Preissteigerungen für die Massen halten die Zentralbanken noch an der expansiven Geldpolitik mit Nullzinskrediten fest. Der Rückgang der Börsenkurse im Oktober warf aber deutlich das Menetekel³ eines nahenden Börsencrashs an die Wand.

Zumal die Verdrei- bis Verachtfachung der Bilanzsummen aller großen Zentralbanken⁴ innerhalb eines Jahres besonders in Europa (EZB) und den USA (FED) ohne nennenswerte Erfolge bei der „Ankurbelung der Wirtschaft“ blieb. Das ist Ausdruck der Krise ihrer Geldpolitik. Allerdings haben die „Währungshüter“ auch nur die Wahl zwischen Satan und Beelzebub: Würden sie jetzt die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu stoppen, hätte das dramatische Auswirkungen auf ihre hoch verschuldeten Gläubiger, den Staaten und Monopolen. Viele Staatshaushalte könnten zusammenbrechen.

Denn immer umfassender werden die Staatshaushalte durch Schulden finanziert. Die weltweite Staatsverschuldung stieg 2020 um mehr als ein Sechstel auf einen Rekordwert von 62,5 Billionen US-Dollar.⁵ Ende 2021 wird es einen weiteren deutlichen Anstieg um etwa 4 Billionen US-Dollar geben. Bei den meisten Staaten liegen die Schulden heute dicht unterhalb oder über dem Wert des gesamten Bruttosozialprodukts eines Jahres. Im April 21 betrug die durchschnittliche Staatsverschuldung in der Europäischen Union schon 98 Prozent, in den USA stieg sie 2020 von 108 auf 132 Prozent. Auch in China nimmt sie ständig zu und liegt heute bei 69 Prozent.

Von 154 untersuchten Ländern⁶ im „globalen Süden“ (d. h. ohne die OECD- bzw. EU-Staaten, sowie ohne Russland und Australien) sind 132 kritisch verschuldet, das sind elf Länder mehr als 2019. Darunter befinden sich eine Reihe neuimperialistischer Länder wie Brasilien, Argentinien, Indien, Mexiko und Südafrika. Auch die Anleiheschulden der Unternehmen erreichten schon Ende 2019 ein noch nie dagewesenes Niveau von 13,5 Billionen Dollar. Sie sind seither noch einmal drastisch auf fast 20 Bill. Dollar gestiegen.¹⁰ Weltweit sind viele Unternehmen überschuldet. Auch hier rückt eine offene Krise der Anleihemärkte näher. Die gesamte Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen beträgt heute mehr als 350 Prozent des jährlichen Weltsozialprodukts. Das ist doppelt so hoch wie Ende 2008.

Es hat sich also eine neue Dimension der internationalen Verschuldungskrise entwickelt. Sie wird durch die zu erwartende umfassende Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen zu dramatischen Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Milliarden Menschen führen. Schon jetzt haben sich in Deutschland und vielen anderen Ländern vor allem Arbeiter- aber auch andere Massenkämpfe dagegen entwickelt.

Die Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise verstärkt die objektiven Faktoren zur Herausbildung einer revolutionären Weltkrise.


 Quellen & Links

¹ siehe Interview von Gabi Fechtner in Rote Fahne News vom 28.10.21
² Sie schwelt allerdings weiter und nimmt an Dynamik zu. Unterdessen stecken weitere drei chinesische Immobilien-Konzerne ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten
³ Unheil drohendes Mahnzeichen
⁴ Sie spiegeln die „Geldschöpfung“ durch Kreditausgabe bzw. durch Aufkauf von Staats- und Unternehmensanleihen wider
⁵ tps://e-fundresearch.com/newscenter/21-janus-henderson-investors/artikel/40886-pandemie-laesst-weltweite-staatsverschuldung-um-ein-sechstel-steigen
https://de.statista.com/infografik/20984/unternehmensschulden-in-prozent-des-bip-nach-laendern/