oma

Den Krieg in der Ukraine habe ich zum Anlass genommen, um mit meiner Oma, die den Überfall des Hitler-Faschismus auf die Sowjetunion erlebt hat, über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Bereits vor einem Jahr sagte sie: „Es riecht nach Krieg auf der Welt.“ Sie ist am 3. März 1933 in der Ukraine geboren, hat den sozialistischen Aufbau als Bergarbeiterin miterlebt, erinnert sich gerne an ihre Zeit damals und sieht die Dinge heute sehr besorgt.

„Wie Brüder und Schwestern haben wir gegen den Hitler-Faschismus gekämpft. Egal ob Ukrainer, Russen oder Kasachen. Das war völlig egal. Wir kämpften für unsere sozialistische Heimat und für Stalin. Antikommunisten behaupten, Russlanddeutsche wären in dieser Situation nach Sibirien deportiert worden, damit sie nicht mit den Deutschen kollaborieren. Vor Kriegsbeginn wollte mein Vater als Mathematik-Lehrer noch in eine andere Stadt fahren, um Lehrer auszubilden. Als am nächsten Tag Hitler die Sowjetunion überfiel sagte er: „Der Krieg hat begonnen. Wir fahren alle zum Bahnhof.“ Er selbst und seine Brüder haben sich bei der Roten Armee gemeldet. Wir haben unsere Koffer gepackt und sind zum nächsten Bahnhof, wo schon Züge für die Evakuierung gen Osten bereitstanden. Frauen und Kinder wurden als erstes evakuiert. Keiner hat meine Mutter gefragt, ob sie Russlanddeutsche, Ukrainierin oder Russin ist.“

Wie siehst du die Situation heute?

„Ich frage mich, wo das alles gerade hinsteuert. Einen solchen Nationalismus weltweit habe ich das letzte Mal im Zweiten Weltkrieg erlebt. Wohin das geführt hat, wissen wir heute.

Ich habe selbst viele Bekannte in der Ukraine. 2014 wurden überall in der Ukraine Lenin-Statuen gestützt. Stätten des Gedenkens an den heldenhaften Kampf der Sowjetvölker wurden verwüstet. Alles im Namen der angeblichen freiheitlich-westlichen Demokratie, die mit einem riesigen Blutzoll der Sowjetvölker erst möglich wurde. In Russland regieren heute Oligarchen, die jetzt einen imperialistischen Krieg mit unserem Brudervolk vom Zaun gebrochen haben. Zu Zeiten von Lenin und Stalin wäre das nie möglich gewesen. Ich frage mich, wie lange die ukrainischen und russischen Arbeiter das mitmachen. Am Ende müssen beide Völker die Kriege, Verwüstungen, den Tod ihrer Kinder ausbaden. Ob Putin oder der Selenskyj – die sitzen mit ihren Familien in komfortablen Bunkern, während die Massen in Metro-Stationen ohne Wasser und Essen ausharren.

Den Gipfel der Frechheit besitzt allerdings diese deutsche Bundesregierung mit ihren Waffenlieferungen und der Kriegstreiberei mit den USA. Als ob es in der Ukraine gerade an Waffen fehlt. Wir sind Mitte der 1990er-Jahre nach Deutschland gekommen, weil wir als Russlanddeutsche anerkannt wurden. Mein Vater hatte schon damals Zweifel, ob wir mit der Einladung, nach Deutschland zu kommen, nicht doch als politisches Instrument missbraucht werden würden, und er war gegen die Ausreise. Schließlich hat er sich dann doch anders entschieden. Jahrelang war ich CDU-Wählerin, weil wir die Ausreise Helmut Kohl zu verdanken hatten. Merkel fand ich auch nicht schlecht. Sie war bescheiden im Auftritt und irgendwie auch sympathisch. Ich habe auch eine Zeit lang die Partei DIE LINKE gewählt.

Wenn ich heute sehe, wie all diese Parteien in einem großen Chor die Aufrüstung der Ukraine fordern, mitten im Krieg, bekomme ich Gänsehaut. Genauso die USA. Die sind tausende Kilometer entfernt und mischen sich überall ein, wo sie nichts verloren haben. Wollen die alle einen Dritten Welt- oder einen Nuklearkrieg? Ich bin dankbar, in einer anderen Zeit gelebt zu haben. Ich mache mir heute Sorgen über die Jugend. Ich denke mir immer: Mensch, es ist doch unmöglich, diese Oligarchen, Kriegstreiber und Herrscher der Welt zu stürzen. Und dann erinnere ich mich an die Oktoberrevolution in Russland und an Lenin, der den Ersten Weltkrieg beendete. Ich wünsche mir Frieden in der Ukraine, in Russland und auf der Welt. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Deutschland ihre eigene Kriegsregierung ins Visier nehmen.“